Moderne Wasseräder
Tja, eigentlich dachte ich, hier müßte ich mal eine Abhandlung zum Thema moderne Wasserräder schreiben. Doch ich glaube, daß wird nicht nötig sein. Denn inzwischen hat doch die Forschung meine Träumerei ein, und überholt. Wie moderne Dampfmaschinen auch, die wirkungsvoller als ein Dieselmotor arbeiten, Verbrauchsärmer und Leistungsfähiger sich erweisen, zeigen sich auch moderne Wasserrädern den Turbinen in vielen Bereichen überlegen.
Klar, so ein Wasserrad ist groß und massig, und bei leistungsfähigen Anlagen sind Wasserräder von über 2 Meter Breite mit einem Durchmesser von über 6 Meter keine Seltenheit. Das Wasserrad der neuen Mühle in Erfurt erzeugt rund 15-16 kW, das sind rund 20 PS, hingegen die kleinere Turbine (vom Baumaß her) bei gleichem Wasserverbrauch rund 24 PS "nur" erzeugt. Man sieht, die Leistungen liegen da schon eng beieinander. Zumal beide Anlagen fast identische Wasserverbrauchswerte haben. Und gerade bei Turbinen geht mehr Leistung zumeist nur mit mehr Fallhöhe und/oder mehr Wasser zu ermöglichen, während beim Wasserad die Fallhöhe leider aufgrund des Baumaßes sehr begrenzt ist. Doch gerade im Bereich der niedrigen Fallhöhen zwischen 3 bis 6 Meter erweist sich das Wasserrad vielleicht als kommende Energiequelle. Die Forschung sieht jedenfalls sehr gut dafür aus.
Denn meiner Meinung nach sind diese Räder zu mehr fähig, wenn genug Platz besteht. Sprich: Hat jemand keinen Platz, so fällt die Wahl zugunsten der Turbine günstiger aus, doch wo Platz keine Mangelware ist, kann vielleicht mit einem modernen Wasserrad gearbeitet werden.
Und so war es dann auch keine große Neuigkeit für mich, als Dr. Gerald Müller zusammen mit der TH Berlin im Deutschen Mühlenforum erklärte, daß man ein Wasserrad nach modernsten Grundlagen gebaut habe, und nun einen Platz suche, dies im Maßstab 1:1 auszuprobieren.
Jedenfalls waren die ersten Ergebnisse doch leicht sensationell: Wirkungsgrade über 85%, das erreichen kaum Turbinen. Turbinen erreichen diese Werte nur, wenn man die Strömungsverluste wegläßt, also nicht in den Wirkungsgrad miteinbezieht. Ansonsten rangieren moderne Francis- und Kaplanturbinen bei guten 82-85% im Gesamtwirkungsgrad. Theoretisch sind bei hochmodernen Kaplananlagen zwar 95% möglich, aber in der Praxis kaum erreichbar. So sind diese Werte hervorragend, denn selten erreicht man Werte von 90% und mehr in der Praxis, egal bei welcher Anlage. Doch nun halte man sich erneut vor Augen: Ein Wasserrad mit einem Wirkungsgrad nahe 90%!!
Klar, das wollte ich sehen. Leider gibt es das Rad nur im Modell, also im kleinen Maßstab. Doch was hydrodynamisch im Modell funktioniert, daß kann nahezu 1:1 auf ein großes Rad übertragen werden, wie Dr. Müller versicherte. So bekam ich das neue Rad zum ersten Mal zu sehen, im Labor auf dem Test- und Versuchsstand.
Wie man sehen kann, es ist ein Mittelschlächtiges Wasserrad. Hier wurde nicht, wie ich dachte, daß man es hätte tun sollen, ein unterschlächtiges Zuppingerwasserrad strömungsgünstig verbessert, nein, hier wurde aus einem Zuppinger Wasserrad als Basis etwas ganz Neues konstruiert. Das Bild zeigt es ganz deutlich: Das Rad bekam im Gegensatz zum Zuppinger Seitenwände und einen Radboden. Die Ergebnisse lassen den Schluß aber zu, ddaß man bei einem guten Gerinne auch ohne Seitenwände das Rad betreiben kann, was Gewicht und Baukosten sparen würde. Das Modell hat noch die Seitenwände. Des weiteren hat das Modell einen Kulisseneinlauf, also einen Einlauf der mehrere Schaufeln optimal mit Wasser versorgen sollte. Jedenfalls nahm man in Kreisen der Mühlenbauer immer an, der Kulisseneinlauf wäre eine Leistungsverbesserung. Die Versuche hier bewiesen aber das Gegenteil: Es gab große Strömungsverluste im Einlaufsbereich, die zu einer Reduzierung des Wirkungsgrades um 4-5% geführt hatten. Der Einlauf wurde daher zu einem gewöhnlichen Überfalleinlauf umgebaut, und man erreicht 87-88% Wirkungsgrad bei konstanter Durchflußmenge. Auch der Auslauf ist entscheidend, wie Dr. Müller erläuterte. Ist er zu flach, strömt das Wasser nicht rasch genug ab, es gibt auch hier Strömungsverluste, die den Wirkungsgrad negativ beeinflussen. Daher wurde das Gefälle des Auslaufes optimiert und so die Entleerung der Kammern optimiert. Zudem ist die Kammernform durch die strömungsgünstig angepassten Bleche oder Kammertrennwände so gestaltet, daß das Wasser stoßfrei in die Kammern einlaufen kann, es daher auch hier keine Verluste gibt. Das Wasserrad wird also nicht durch die Strömungsenergie bewegt, sondern allein durch die Lagekraft des Wassers in den Kammern des Rades.
Dabei lagen die Verbrauchdaten niedriger und das Rad war gegenüber dem Durchfluß wesentlich weniger anfällig als eine vergleichbare Wasserturbine. Auch ist ein Wasserrad weniger anfällig gegenüber Wasserunreinheiten, wie Schwebstoffe und gröbere Verunreinigungen, wie Zweige und Blätter. Das Rad käme daher mit einem gröberen Rechen und einer einfacheren Reinigungsanlage vor dem Einlauf aus, als eine Turbine. Zudem zeigte sich, daß gerade bei niedrigen Wassermengen die Wasserräder Turbinen bei gleicher Fallhöhe deutlich im Wirkungsgrad und der Leistung schlagen.
Wovon ich träumte, die Renaissance der Wasserräder ist Wirklichkeit geworden. Leider machte ein Punkt meinen Traum in Vollendung nicht möglich: Die TU Berlin, als auch die britische Universität die dieses Projekt mitfinanzierten, haben das Projekt nicht weiter verfolgt. Ohne private Investoren, die das Potential dieser Anlagen erkennen und aufgreifen, wird es also kaum richtig zustande kommen, und der postive, überlegene Ansatz an Technik auf alten Wurzeln basieren, wird in einer Aservatenkammer verkommen!
Damit es dokumentiert bleibt, auch im Web gefunden werden kann, und die wichtigen Publikationen abgerufen werden können, stelle ich mit freundlicher Genehmigung von Dr. Gerald Müller die Publikationen zum Thema als Download hier bereit:
Man darf also gespannt sein, was hier noch auf uns zukommen wird. Denn neuste Forschungen, die mich nur ganz am Rande interessieren haben ergeben, daß sogar die Archimedische Schnecke als eine Art Turbine sich einsetzen läßt, und gute Ergebnisse erziehlt hat. Nur hier wurde schon eine Anlage in Betrieb genommen, im Gegensatz zum Modernen Wasserrad. So kämpft das Wasserrad immer noch, zumeist wegen der Baugröße, um Einsicht und das korrekte Urteil, nämlich als Kraftmaschine nicht zum alten Eisen, oder Holz zu gehören.
Dies erwog letztendlich die Gruppe um Gerald Müller daher, eine eigene Website zum Thema moderne Wasserräder ins Leben zu rufen, um die Ergebnisse und Arbeiten zu dokumentieren, aber auch im Netz zur Verfügung zu stellen. Leider ist diese nun 3 Jahre später nicht mehr im Netz, und es ist daher gut, daß die Informationen oben daher noch hier abrufbar sind.
Es gibt gerade in den USA wunderbare Seiten zum Thema Wasserräder und gerade die Seiten der Wasserradfabrik in Franklin, North Carolina in den USA sind wunderbar und reich an Beispielen, wie und wo man Wasserrädern verbauen kann.
Letztendlich jedoch ist es noch ein langer Weg, bis sich Eigentümer von alten Wassermühlen und andere Anrainer, wie Kommunen, endlich durchringen, mit modernen Wasserrädern endlich einen Anteil Energie zu erzeugen, die aus nachhaltiger, biologischer Energie, der Wasserkraft stammt. Leere Kropfgerinne, wie in Frankfurt Rödelheim wären dann undenkbar. Doch hier sieht kaum einer Nutzen oder Gewinn, weshalb diese Kropfgerinne letztendlich im Jahr 2010 abgebrochen und durch eine Solgleite aus Gesteinslagen ersetzt und aufgeschüttet wurden.
Da kommen die aktuellen Bücher von Dirk Nürnbergk gerade richtig. Hr. Nürnbergk hat sich privat mit Wasserrädern befaßt und zwei Bibeln geschreiben, um Wasserradbauern endlich umfassendes Material zum hydrodynamischen Berechnen und Bestimmen der Wasserräder im Kropfgerinne und Wasserräder im Freigerinne in die Hand zu geben. Seine beiden Bücher sind im Verlag Moritz Schäfer in Detmold erschienen, ein Verlag, der sich um die Herausgabe von Büchern rund um die Müllerei einen Namen gemacht hat. Die Bücher zeigen exakte Berechnungen der Wasserkräfte auf, helfen die Strömungsverhältnisse am und im Rad, sowie bei den Rädern im Kropfgerinne, auch im Gerinne selbst berechnen und damit bestimmen zu können. Er hat es damit ermöglicht, rein aus den Bedingungen ein Wasserrad theoritisch vollständig durch eine Fachfirma berechnen zu lassen, so daß schon im Vorfeld eine mögliche nutzbare Energie an der Wasserradwelle bestimmt werden kann.
Diese Bücher müßten eigentlich nun die Konstruktion und Berechnung moderner Wasseräder für alle Bedingungen ermöglichen und damit den Wasserradbau helfen zu perfektionieren.
Ob dies aber wirklich eintritt, ist aber, auch aufgrund des oft fehlenden Bewußtseins der Mühlenbesitzer und Kommunen, fraglich.
Trotzdem soll diese Seite Mut machen und Interesse wecken, diese Kraft nicht ungenutzt zu lassen, wenn man diese schon aufgrund der Gegebenheiten und Historie nutzen könnte.
Hier geht es wieder zu den Geschichten
Der Link zu meinerMühlen-Seite
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