Vermehrung durch Stecklinge und Markottierung
Die Vermehrung durch Stecklinge oder das Markottieren wird hier zusammen dargestellt, weil ungefähr die gleichen Prozesse ablaufen. In beiden Fällen wird ein Triebteil der Pflanze dazu gebracht selbst Wurzeln zu bilden. Der Steckling stellt wohl für den Hobby- und Heimcitrusgärtner die häufigste Methode der Vermehrung dar. Stecklinge haben ebenso wie Markottierungen den Nachteil, daß sie oft schnell an Fußfäule erkranken, weil ihnen eine entsprechende Unterlage fehlt. Da aber jeder Pflanzenfreund seiner Pflanze eine bessere und genauere Pflege zukommen läßt, als dies im kommerziellen Anbau möglich ist, gilt dieser Grund hier nicht. Oft wird auch behauptet, Stecklinge und Markottierungen stehen nicht fest auf der Wurzel. Dies kann ich auch nicht bestätigen, da Seitenwurzeln oft kräfig genug ausgebildet sind und vor allem ein weit verzweigtes Wurzelwerk gebildet worden ist, daß eine völlig ausreichende Standfestigkeit gewährleistet werden kann. Daher sollte ruhigen Gewissens der Versuch mit Stecklingen gemacht werden, weil so wirklich echte Sorten vermehrt werden können und eine Blüte sehr früh einsetzt. Im kommerziellen Anbau werden Stecklinge nur selten eingesetzt, aber zum Vermehren von Knospenmutationen werden die entspechenden Reiser abgetrennt, durch Stecklinge vermehrt und später auf gute Unterlagen veredelt. Daraus wird dann eine Edelreismutterpflanze gezogen. Zur Stecklingsvermehrung empfiehlt es sich, die entsprechenden Triebe sorgsam auszuwählen. Diese werden mit sterilen Werkzeugen vom Baum abgetrennt. Auch Schnittmaterial welches in botanischen Gärten anfällt, kann dazu verwendet werden. Es lohnt also danach zu fragen. Stecklingsmaterial sollte frei von sichtbaren Krankheiten sein, am Besten sogar aus einer virenfreien Quelle, um eben des einschleppen symptomloser Pathogen zu vermeiden (siehe auch Edelreisschutzprogramme). Die Stecklingsreiser sollten schon leicht verholzt sein, daß heißt die Sproßachse muß fest sein und darf sich nicht durch leichte Biegung verletzen lassen. Triebe des Frühjahrs sind im Herbst geeignet, oder der Sommer/Herbsttrieb im nächsten Frühjahr. Auch ältere Stecklinge sind zum Bewurzeln zu bringen, doch es dauert zum Teil etwas länger. Der Steckling kann für ein bis drei Tage in feuchter Luft (85-95% rel. Feuchte) gelagert oder transportiert werden. Auch das Einschlagen in feuchten Sand ist bewährt. Vor dem Stecken werden die Stücke so zurecht geschnitten, das etwa zwei bis fünf Knospen in der Erde ruhen und etwa drei bis sechs Knospen darüber angeordnet sind. Die Blätter können mit einer scharfen, sterilen Schere auf die Hälfte bis ein Viertel gekürzt werden, muß aber nicht. Die Triebspitze sollte ebenfalls entfernt werden. Mit einem scharfen sterilen Messer oder mit einer guten, sterilen Gartenschere wird knapp unterhalb einer Knospe ein schräger Schnitt bis hinter die Knospe gemacht und so der Steckling vom Rest der Sproßachse getrennt. Die Schnittstelle läuft also schräg unter der Knospe beginnen hinter der Knospe durch das Holz zu gegenüber der Knospe liegenden Sproßachsenseite. Diese Schnittfläche wird zu Förderung der Bewurzelung in eine Bewurzelungshormon, wie z.B. Rhizopon AA1%, getaucht. Diese Hormone liegen entweder flüssig oder in Puderform vor. Ein Eintunken und Abklopfen ist völlig ausreichend, das Hormonsubstrat muß nicht als dicke Schicht am Stecklingsende kleben. Zudem würde eine solche dicke Schicht nur das Holz aufweichen und das Eindringen von pilzlichen Erregern begünstigen. Die Schnittfläche sollte nun etwas antrocknen. Danach wird in ein Anzuchtssubstrat gesteckt. Es können die gleichen Substrate verwendet werden, wie zur Aussaat (siehe Vermehrung durch Samen). Der Steckling kommt mit der Schnittfläche in ein vorbereitetes Loch und das Substrat rund herum wird gut angedrückt, damit der Steckling nicht umfallen kann. Wie bei den Sämlingen sollte das Substrat feucht, aber nicht naß sein. Um die Verdunstung zu reduzieren, wird eine klare Plastiktüte, ein Einweckglas oder ein anderes durchsichtiges Abdeckmaterial über den Steckling gespannt, um die Verdunstung einzuschränken. Alle drei Tage muß jedoch gelüftet werden, um Schimmel und Fäulnis vorzubeugen. Hier ist ein Kleingewächshaus wirklich sehr zu empfehlen, da durch Lüftungsklappen und durch den klaren aber stabilen Deckel sehr leicht die Luftzirkulation und der Zugang gewährleistet wird. Sollte das Substrat zu trocken werden, vorsichtig mit einer Sprühflasche das Substrat erneut befeuchten. Oftmals werfen die Stecklinge die restlichen Blätter ab. Dies ist kein Grund zur Besorgnis, allerdings sollten die Blätter am Boden vorsichtig entfernt werden, damit sie nicht zu Schimmelherden werden. Schon nach einiger Zeit beginnen die Knospen auszutreiben, doch Geduld, dies ist noch kein Zeichen für eine Bewuzelung. Der Trieb muß annähernd normales Wachstum erreichen und etwa normales Aussehen haben. Er darf nicht verkleinert oder verkümmert wirken. Diese Triebe entstehen zumeist aus den Reservestoffe gespeichert in den Knospen. Aber mit dem Austrieb kann öfters mehr Frischluft zugeführt werden, damit Assimilate und Hormone in den neuen Triebteilen gebildet und gefördert werden. Nach erfolgter Bewurzelung wird der Steckling relativ kräftig austreiben und schnell für das Gewächshaus zu groß werden. Dann ist es Zeit der Pflanze seinen eigenen Topf zu geben. Er sollte den neuen Wurzelballen gut aufnehmen und mit luftigem Citrussubstrat (siehe Boden) gefüllt werden. Der Steckling wird vorsichtig mit einer kleine Schaufel oder einem alten Löffel aus dem Anzuchtssubstrat gelöst und in den Topf verpflanzt. Den Wurzelballen mit feuchtem Substrat bedecken und gut andrücken. Substrat feucht, aber nicht naß halten und auf gute Drainage achten. In den ersten 3 Wochen gar nicht und in den nächsten 3 Wochen nur schwach düngen. Dann langsam normale Düngergaben anstreben. Es muß darauf geachtet werden bis zu völligen Verholzung der Hauptsproßachse diese nicht zu feucht zu halten, oder beim Gießen mit Wasser zu benetzen, oder auch zu verletzen. So wird der gefürchteten Fußfäule vorgebeugt. Verletzungen der Rinde in diesem Bereich sollten sofort mit einem Fungizid und einem Wundverschlußmittel behandelt werden um ein Eindringen der Erreger zu verhindern. Eine vorsichtige Umbettung der Haupstroßachse mit Sand ist ein gutes Mittel die Sproßachse schön trocken zu halten. Weitere Maßnahmen sind in den anderen Bereichen des Buches zur Weiterkultur beschrieben. Stecklinge können schon sehr früh blühen und auch fruchten, doch zur endgültigen Fruchtreife im frühen Größenstadium kommt es nur bei absolut optimalen Kulturumständen, zumeist werden die Früchte aus Gewichtsproblemen entfernt oder abgeworfen.
Markottierungen sind Stecklingen sehr ähnlich, nur daß der Trieb, der die neue Pflanze bilden soll nicht völlig von der Mutterpflanze getrennt wird. Markottierungen wurden schon im alten China für Pampelmusen verwendet und werden auch heute noch bei Limetten, Tangelos, Tangors und einigen Grapefruitsorten angewendet, doch hat sich kommerziellen Anbau klar die Veredelung durchgesetzt, trotz der Vorteile die eine Pflanze auf eigener Wurzel bietet. Zur Markottierung wird ein entsprechender, nach außen weisender gut belaubter Zweig ausgewählt. Er sollte etwa Bleistift dick sein und schon leicht verholzt sein. Dieser Zweig soll die neue Pflanze bilden. Mit einem scharfen Messer wird dann in das Holz des Astes ein Schnitt gemacht, ungefähr dort, wo der Stamm der Pflanze enden soll. Der Schnitt erfolgt schräg etwa 3/4 durch das Holz, falls noch Augen sichtbar sind, so sollte der Schnitt hinter einem Auge vorüberführen, ohne das Auge zu verletzen. Der Schnitt wird mit einem Stück Kunststoff oder einem Kieselsteinchen offen gehalten. Etwas Bewurzelungshormon auf die Schnittstelle an der neuen Pflanze erhöht die Wurzelbildungsfähigkeit. Gut angefeuchtetes Torfmoos (Spaghnum) wird nun um die Schnittstelle gewickelt und befestigt, so daß sich eine Torfballen bildet. Dieser Torfballen wird nun mit einer Plastikfolie umwickelt und dicht verschlossen, so daß die Feuchte des Ballens nicht verloren geht. Die gesamte Pflanze wird wie bisher weiter kultiviert, aber der Torfballen auf sichtbare Wurzeln in regelmäßigen Abständen kontrolliert. Bei sichtbaren Wurzeln wird die Plastikummantelung vorsichtig entfernt und der bewurzelte Ast vorsichtig mit einer scharfen Schere von der Mutterpflanze getrennt. Die Schnittstelle wird entweder mit Holzkohlepuder verschlossen, oder mit etwas dünn aufgetragenem Wundverschlußmittel.. Dann wird der bewurzelte Zweig in einen eigenen Container umgepflanzt und als sebstständige Pflanze weiter gepflegt. Wie bei Stecklingen sollte in den ersten Monaten der 'neue' Stamm und Stammgrund nicht stauender Nässe oder Spritzwasser ausgesetzt werden, um Pilzinfektionen vorzubeugen. Auch sollte das neue Substrat sollte sehr gute Drainage aufweisen und eine hohe Luftführung haben. Spätestens nach dem ersten regulären Umtopfen kann eine dichtere Citruserde verwendet werden, doch dabei sollte der Wurzelballen vorsichtig inspiziert werden.